Stellungnahme des Vorstands des Arbeitskreis Asyl Hechingen e.V.
Am 18. Juli drang nachts um kurz vor 3 Uhr ein massives Aufgebot von Polizisten in das Hechinger Refugio am Obertorplatz ein, um dort in den Zimmern der Bewohner nach einem syrischen Flüchtling zu suchen. Dieser soll nach Bulgarien abgeschoben werden. Die gesuchte Person wohnt allerdings gar nicht im Refugio.
Der Arbeitskreis Asyl Hechingen e.V. hat erhebliche Zweifel an der Angemessenheit und Rechtmäßigkeit des polizeilichen Vorgehens. Polizeikräfte dürfen nicht ohne ausdrücklichen Durchsuchungsbefehl in Wohnungen eindringen und unbeteiligte Personen nachts aus dem Schlaf reißen. Jeder, der mitten in der Nacht ohne Vorwarnung durch ein massives Polizeiaufgebot aus dem Schlaf gerissen wird, würde in Angst und Schrecken versetzt. Wie viel schlimmer dies für Geflüchtete ist mit traumatischen Vorerfahrungen von Polizeigewalt, Willkür und Folter, lässt sich nur erahnen. Es laufen aktuell mehrere juristische Verfahren, die prüfen, ob eine solche Vorgehensweise angemessen und rechtens ist.
Das Refugio ist eine vorläufige Unterbringung des Zollernalbkreises, in der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens wohnen. Ob eine Person schutzbedürftig ist und ein Recht auf Asyl oder sonstigen Schutz in Europa hat, wird allerdings zunächst gar nicht geprüft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüft erst nur, über welches Land der Geflüchtete eingereist ist, um ihn dorthin rücküberstellen zu können.
Im Refugio wohnen Menschen, die über die Türkei und Bulgarien aus Syrien geflohen sind; geflohen vor einem Unrechtsregime und andauerndem Krieg. Wir wissen aus Interviews mit Geflüchteten in Hechingen inzwischen einiges über deren Fluchtgründe, z.B. dass durch russische Bomben die Häuser der Familien in Syrien zerstört wurden, dass Familienangehörige bei Bombardements ums Leben kamen oder auf dem Weg zur Arbeit einfach spurlos verschwunden sind. Es gibt Aussagen über politische Gefangenschaft in syrischen Foltergefängnissen.
Beim gut besuchten Themenabende im Juni bei Montags für Menschlichkeit haben wir erfahren, was Flüchtlingen in Bulgarien widerfährt, wenn sie dort von der Polizei aufgegriffen werden. Sie werden wie Kriminelle inhaftiert und in vollkommen überfüllte Gefängnisse gesteckt. Alle Betroffenen berichten übereinstimmend, wie sie dort misshandelt und geschlagen wurden, einem Refugio-Bewohner wurden drei Rippen gebrochen, alle waren wochenlang eingesperrt ohne Kontakt zur Außenwelt. Wir haben Handyfilme über untragbare, menschenunwürdige Verhältnisse in Gefängnissen und Lagern gesehen. Es gibt Atteste von deutschen Ärzten über bleibende Verletzungen und Traumatisierung.
Die Rechtslage sieht vor, dass im Rahmen des Dublin-Abkommens Geflüchtete in das EU-Land abgeschoben werden können, in dem sie das erste Mal registriert wurden. Abschiebungen nach Bulgarien sind wegen der unmenschlichen Verhältnisse dort seit Jahren hochumstritten und werden regelmäßig vor Gericht angefochten. Trotzdem ist die aktuelle Position des BAMF „dass nicht sein kann, was nicht sein darf“ – schließlich sei Bulgarien Teil der EU. So droht genau den Flüchtlingen, die in Bulgarien aufgegriffen und misshandelt wurden, eine Abschiebung dorthin zurück. Dies betrifft auch in Hechingen lebende Asylbewerber, die verständlicherweise panische Angst davor haben.
Vor diesem Hintergrund ist die Aktion am letzten Donnerstag in Hechingen nicht nur möglicherweise unrechtmäßig, sondern unmenschlich.